Transkulturalität

Kultur bezeichnet die Gesamtheit aller Ideen, die allgemeinen Bräuche und Überzeugungen sowie soziale Verhaltensweisen der menschlichen Gemeinschaften. Der traditionelle Kulturbegriff ist geprägt von der statischen Vorstellung Johann Gottfried Herders. Kulturen werden hier als homogene und abgeschlossene Inseln dargestellt, die mit drei Merkmalen beschrieben werden. Dies sind „soziale Homogenisierung“, „ethnische Konsolidierung“ und „interkulturelle Abgrenzung“.

Der Philosoph Wolfgang Welsch entwickelte Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts den Begriff „Transkulturalität“, um die klassische Auffassung der singulären Kulturen zu durchbrechen und die Beziehungen verschiedener Kulturen zueinander besser beschreiben zu können.

Das Konzept der Transkulturalität grenzt sich von der traditionellen Auffassung ab, nach der jede Kultur eine nach innen homogene und nach außen abgegrenzte Einheit bildet.

In der Realität sind Kulturen weder sprachlich und ethnisch homogen, noch territorial abgegrenzt. Neue Kulturen formieren sich durch Vernetzungen, Überlappungen, Durchdringungen und Vermischungen bestehender Kulturen, so dass die Vorstellung einer abgegrenzten Insel nicht die von uns erlebte Realität widerspiegeln kann.  

In dieser Hinsicht überschreitet Transkulturalität die anderen Konzepte wie Interkulturalität oder Multikulturalität. Denn diese basieren auf dem traditionellen Verständnis von Kultur. Interkulturalität und Multikulturalität gehen davon aus, dass sich zwei oder mehr in sich geschlossene und klar definierbare Kulturen begegnen, in Austausch treten und nebeneinander existieren. Transkulturalität skizziert ein Bild der Beziehung zwischen den Kulturen, wie es oben beschrieben wurde.

Die transkulturelle Perspektive richtet den Fokus nicht auf das Trennende, Fremde und die daraus resultierenden Konflikte, die überbrückt und gelöst werden können. Der Fokus liegt auf den Gemeinsamkeiten, die entdeckt werden können.

Dies gilt auch für das Individuum. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Betonung nicht auf das Trennende in Form von Zuschreibungen und Vorurteilen gelegt wird, sondern auf die Suche nach Gemeinsamkeiten, die eine Verständigung ermöglichen.

Leider hat der Begriff „Kultur“ in letzter Zeit eine Bedeutungsverschiebung erfahren. Häufig wird er als Synonym für ethnische Herkunft genutzt und es werden dadurch Zuschreibungen für Gruppen transportiert – damit bekommt er einen rassistischen Beiklang. Doch Kulturen sind nicht angeboren, sie werden erlernt. Sie entwickeln und verändern sich ständig.

Dieses statische, überholte Kulturbild entspricht nicht der Realität des dynamischen, symbiotischen und sich stets verändernden komplexen Geflechts einer globalisierten Welt.

Wer mehr und sehr spannendes darüber in einem kleinen, klugen Buch lesen möchte:

Wolfgang Welsch. Transkulturalität. Realität – Geschichte – Aufgabe. Wien 2017