Pädagogik und Therapie
Die Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung hat ihre Stammeinrichtung in Durlach-Aue. Obwohl die betreuten Jugendlichen keine Gruppe bilden, ist dies eine Einrichtung, in der alle Fachkräfte, egal ob Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen oder Therapeut*innen, egal ob Hausmeister, Küchenchef oder Ehrenamtliche sich für alle Jugendlichen verantwortlich fühlen. Dadurch erzeugen wir eine hohe und hochwertige Kontaktdichte außerhalb des eigentlichen Betreuungsverhältnisses. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin ist bereit, sich bei jeder Begegnung im Haus, in den Aufenthalts- und Werkräumen, im Umfeld der Häuser als verantwortliche/r Gesprächspartner*in für jeden Jugendlichen, jede Jugendliche zu zeigen.
Deshalb verwenden wir viel Sorgfalt und Zeit darauf, dass alle Mitarbeitenden die wichtigsten Informationen und Entwicklungen zu jedem Jugendlichen kennen, ebenso wie vereinbarte Maßnahmen oder laufende Prozesse. Die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen ist dabei eine Schlüsselkompetenz des Teams, denn gerade in die intensivpädagogischen Arbeit wird oft eine hierarchische Vorstellung von Pädagogik und Therapie kreiert. Im Sinne von „wenn die Pädagogik nicht mehr reicht, dann kommt die Therapie“. Übersehen wird dabei, dass es sich weder um aufeinander aufbauende Interventionssysteme handelt, noch um konkurrierende. Allerdings auch nicht um trennscharfe.
Was ist der Unterschied?
Psychotherapie heilt – Pädagogik lehrt. Psychotherapie setzt voraus, dass etwas nicht in Ordnung ist und der Jugendliche es nicht aus eigener Kraft verändern kann, es ist gleichsam behandlungsbedürftig (und hat einen Namen). Dazu wird häufig zwischen normalem und pathologischem Verhalten unterschieden und das pathologische Verhalten soll durch psychologische Interventionen positiv verändert werden. Je nach Schule…
Pädagogik meint jedoch grundsätzlich die Erziehung, Bildung und Anleitung eines Kindes. Es geht dabei nicht darum, als „krank“ definiertes Verhalten zu korrigieren, sondern um die Persönlichkeitsbildung, um Erziehung zu einem Menschen, der in dieser Gesellschaft leben kann, ohne untragbar hohe Reibungsverluste zu erzeugen.
Deshalb kann man zwar in der pädagogischen Arbeit einzelne Interventionen aus psychotherapeutischen Schulen verwenden – zum Beispiel aus der Verhaltenstherapie oder aus dem systemischen Ansatz. Aber man therapiert nicht, sondern arbeitet mit dem Jugendlichen daran, mit ihrer Hilfe den Alltag zu bewältigen. Verabredungen treffen, Haushalt führen, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – all dies muss dem Jugendlichen erst einmal sinnvoll erscheinen. Um eben vielleicht auch therapeutische Angebote annehmen zu können. Oder noch viel grundsätzlicher: Interesse daran zu entwickeln, zu dieser Gruppe, zu dieser Gesellschaft gehören zu wollen und deren Angebote annehmen zu können.
Was jedoch für beides gilt: Das Gelingen in Psychotherapie und Pädagogik hängt zum größten Teil davon ab, ob sich eine tragfähige Beziehung herausbilden kann.